Mit dem Rad zur Arbeit: (Fast) täglich von Stuttgart nach Denkendorf

Von der Mountainbikerin zur Pendlerin? Seit ich in Stuttgart wohne, habe ich das “daily commuting” kennen-, lieben- und hassen gelernt…

“Ich möchte mit dem Rad zur Arbeit fahren können!” – war für mich ein entscheidendes Kriterium für einen Jobwechsel. Seit 2014 wohne ich in Stuttgart. Zuvor lebte ich im beschaulichen Schwarzwald und als Mitinhaberin eines Fahrradgeschäfts schätzte ich die Nähe zu den Trails, die quasi vor der Haustür begannen. Fast täglich saß ich auf dem Bike: Ausgedehnte Wochenendtouren, schnelle Feierabendrunden, gelegentliche Teilnahmen an Bike-Marathons und örtlicher Biketreff. Das war einmal. Und kommt bestimmt wieder. Schon bald, denn ein neues Mountainbike ist quasi schon im Anflug… aber beschäftigen wir uns zunächst mit dem “daily commuting”. Das ist tatsächlich etwas, was ich erst in Stuttgart kennen-, lieben- und hassen gelernt habe.

Von der Mountainbikerin zur Pendlerin?

Als Herzblut-Mountainbikerin kannte ich es nicht anders, als sich fürs Biken die volle Montur anzuziehen. Die Basisausrüstung umfasst in der Regel Bike-Schuhe, stylishe Socken (selbstverständlich farblich abgestimmt zum Rest des Outfits), Knee Guards, lässige Shorts, Trikot, Rucksack (gefüllt mit Werkzeug, Riegeln, Schlauch, Windjacke,…), Brille, Helm und Handschuhe.

Commuten war für mich eigentlich kein Sport. Irgendwie so ein komisches, undefinierbares Zwischending. Zwischen Mittel zum Zweck, “Am-besten-nicht-Schwitzen” und doch überlegen zu duschen. Und überhaupt: Zieht man sich dafür um? Was zieht man da überhaupt an? Und welche Pedale sind die besten?

Aus “ich möchte mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren können” wurde irgendwann “ich fahre mit dem Rad zur Arbeit”. Die Initialzündung gab die Fastenzeit, in der ich mir “Auto fasten” vornahm. Jede Sünde, also jedes Mal Auto fahren kostete 5 €. Das war eine ganz gute Motivation es einfach zu tun. Ohne Wenn und Aber. Denn an sich spricht in der Theorie ja nichts dagegen. Ganz im Gegenteil: Es spricht ja viel mehr dafür, mit dem Rad zur Arbeit zu fahren als dagegen!

10 gute Gründe für “bike to work”

  • rund 20 km von Stuttgart nach Denkendorf sind definitiv machbar
  • die Strecke über Wangen, Hedelfingen, Esslingen und das Körschtal ist flach
  • Duschen und Spinde sind in meiner Firma für die Mitarbeiter vorhanden
  • bei 4 Arbeitstagen pro Woche kommen da (theoretisch) rund 160 km zusammen
  • das Grundlagentraining ist somit in den Alltag integriert
  • pro Tag sind das zwei Stunden extra “an der frischen Luft”
  • ich blase keine zusätzlichen Abgase in die Luft
  • an dem tägliche Stau aus und nach Stuttgart fahre ich einfach vorbei
  • morgens kommt man frisch im Büro an
  • abends bekommt man den Kopf frei

Liegt ja alles auf der Hand. Sonnenklar und eindeutig. Wenn´s trocken ist. Und die Motivation stimmt. Trotzdem gibt es da diesen Schweinehund. Zugegeben, den kennt doch jede(r) von uns. Meldet er sich einfach immer mal wieder aus dem Hinterhalt und stellt solche Behauptungen auf wie

5 schlechte Gründe gegen “bike to work”

  • Bei dem Feinstaub kann das nicht gesund sein!
  • Bestimmt musst Du noch was besorgen, was sich nicht auf dem Rad transportieren lässt!
  • Wenn Du mit dem Rad gehst, dann bist Du abends zu müde zum biken!
  • Radfahren in der Stadt ist bei dem vielen Verkehr viel zu gefährlich!
  • Mit dem Auto bist Du schneller!

Wenn man ehrlich ist, dann fällt die Gegenargumentation etwas schwach aus. Von den fünf aufgezählten Gründen sind bestenfalls zwei, maximal drei “richtige” Gründe. Alles andere basiert auf Faulheit, Gewohnheit und mangelnder Organisation.

… und der Feinstaub?

Nehmen wir das beliebte Thema Feinstaub: Studien belegen, dass Radfahrer insgesamt gesünder und länger leben – obwohl sie dem Feinstaub sowie Abgasen stärker ausgesetzt sind. Der Grund: Der positive Effekt durch die regelmäßige Bewegung im Alltag wiegt insgesamt mehr als das viele Sitzen im Auto. Die körperliche Bewegung kompensiert quasi die Aufnahme von Schadstoffen in der eingeatmeten Luft. Auch kann der Körper kurze Belastungen von Feinstaub ganz gut puffern, erst bei vielen Kilometern an Hauptstraßen wird es richtig gefährlich. Wichtig ist, dass man es möglichst vermeidet, entlang viel befahrener Haupt- und Bundesstraßen zu fahren und auch das Tempo etwas drosselt.

Nehmen wir den roten Anfangs-Faden wieder auf. Nachdem die erste Auto-Fastenzeit vorbei und ich nur zwei Mal gesündigt hatte, hatte sich bei mir schon so eine Fahrrad-Routine eingestellt, dass ich das Autofahren plötzlich ungewöhnlich und doof fand. Gut auch, dass wir 2017 eine kleine Bike-Community waren und unterwegs in Hedelfingen und Esslingen noch zwei Arbeitskollegen dazustießen und wir zu Dritt fuhren. Inzwischen fahre ich alleine,… was aber auch völlig okay ist.

Früher sehr auf Mountainbike fixiert, habe ich inzwischen gelernt, dass es noch weitere Arten von Fahrradfahren gibt, die Spaß machen können. So habe ich mir ein 2nd-Hand Rennrad zugelegt, da sich die Strecke ideal mit dem Rennrad fahren lässt und ab und zu nach Feierabend mal noch der ein oder andere Abstecher zum Rotenberg drin ist. Wenn man in der Stadt wohnt, hat man für gewöhnlich auch ein Stadtrad. Bei mir ist das nicht ein 3-Gang Tiefeinsteiger, sondern ein sehr sportliches Urban Bike und praktisch fürs Pendeln gemacht. So habe ich die volle Auswahl und kann je nach Lust und Laune variieren. Wer kann das schon vom Auto behaupten?

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Nr. 1: Das Stadtrad

Ein handgebauter Stahlrahmen basierend auf einer Cyclocross-Geometrie. Für den unkomplizierten und praktischen Einsatz in der Stadt ausgestattet mit 1×10 Schaltung, geradem Lenker und schicken urbanen Pedalen.

Custom-made Urban Bike


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Nr. 2: Das Rennrad

Leicht, schön und schnell – ein Alu-Rahmen, kräftige Bremsen und zuverlässige Parts kennzeichnen mein Rennrad. Es bringt mich bei trockenen Bedingungen schnell zur Arbeit und noch schneller wieder zurück.

Cannondale Caad 10


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Nr. 3: Das Mountainbike

Unkaputtbar und absolut pflegeleicht ist mein Hardtail mit Pinion-Getriebeschaltung. Im Laufe der Zeit hat es sich etabliert, dass ich während der naß-kalten Monate hauptsächlich das Bike zum Commuten nehme und dann eine Teilstrecke durch den Wald fahre.

Custom-made Pinion Hardtail


… und das Wetter?

Ganz ehrlich, das Wetter ist kein Argument! Denn schlechtes Wetter gibt es bekanntlich nicht. Kälte ist überhaupt kein Problem, da wir hier nicht am Polarkreis wohnen und die Temperaturen wirklich selten deutlich unter den Gefrierpunkt fallen. Und die Tage, an denen es hier Bindfänden regnet, kann man für ein Jahr an zwei Händen abzählen. Ich kann mich an zwei oder drei Tage erinnern, an denen ich komplett durchnässt im Büro oder zu Hause ankam. Und das liegt nicht daran, dass ich an den anderen Regentagen ins Auto gestiegen bin…

My bike takes me places school never could.

Fazit

Seit ich in Stuttgart wohne, hat sich mein Radfahren total verändert. Während ich früher in 3 Minuten im eigenen Geschäft stand und von Mountainbikes umgeben war, habe ich heute einen Arbeitsweg von 20 km. Diesen möchte ich aber auf keinen Fall mehr hergeben, denn für mich ist das eine perfekte Distanz, nach der sich auch das Duschen lohnt. Dass ich mit dem Rad zur Arbeit fahren kann, ist für mich ein großer Luxus. Ich komme frisch und fröhlich an und schaffe mir nach Feierabend die nötige Distanz. Mit gemütlich durch die Gegend rollen hat das in meinem Fall aber nichts zu tun. Meine Strecke von Stuttgart-Ost, über Wangen, Hedelfingen und durch Esslingen erfordert höchste Konzentration und Aufmerksamkeit. Sei es die plötzlich aufgehende Autotüre, aggressive Überholmanöver oder einfach unachtsame oder abgelenkte andere Verkehrsteilnehmer – man muss beim Pendeln seine sieben Sinne immer beisammen haben, zu jeder Zeit!

Dennoch: Radfahren ist eine super vielseitige Sportart und vor allem eine tolle Art sich fortzubewegen. Die aktuellen Entwicklungen hinsichtlich der Verkehrswende und des Ausbaus der Radinfrastruktur machen Hoffnung, dass sich auch in Autofahrer-Städten wie Stuttgart was tut.

Du möchtest Dich rund ums Bike in Stuttgart engagieren?
Hier gibt´s folgende Projekte zum Thema Fahrrad in Stuttgart!

Radkultur Stuttgart

Critical Mass – Fahrraddemo, jeden ersten Freitag im Monat
Zweirat Stuttgart – Alternatives Radforum
Radentscheid Stuttgart – Initiative für eine fahrradfreundliche Stadt
Lastenrad Stuttgart – Lastenradverleih auf Spendenbasis
Bike Bridge Stuttgart – Fahrtechnikkurse für Flüchtlinge

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