Piff, Paff, Puff: 24h-Lauf Burgenland Extrem

Ein Tag hat 24 Stunden. Überall. Für alle. Warum verbringen wir oft die eine Hälfte davon im Bett und die andere am PC, wenn wir stattdessen auch den Neusiedler See umrunden könnten?

Ende Januar 2020. Der Weihnachtsspeck macht sich’s gerade so richtig gemütlich in und an deinem Körper, da er denkt, dass er nun für immer ein Teil davon bleiben wird. Für die Steuererklärung isses noch zu früh. Im Büro steht der Personaler schon längst auf der Matte, da du deinen Sommerurlaub bitte am liebsten auf den Tag genau planen sollst. Doch du weißt noch gar nicht, wohin der gehen soll, und überhaupt – umgemünzt auf 2021 – wann eigentlich die Corona-Situation wie genau ausschauen wird. Aus der Schublade der guten Vorsätze ruft es so laut, dass du es gerade noch hören kannst. Wie war das? Jeden Monat wolltest du irgendein Highlight erleben, am liebsten irgendwas draußen und so…


120 feine Kilometer von Oggau nach Oggau

Was bietet sich da mehr an als eine Wanderung um den Neusiedler See. Einmal von Oggau nach Oggau. Das müsste doch zu machen sein! Dazwischen acht Labestationen1 zum gemütlichen Tee Trinken, Striezel2 Essen, Blasen Durchstechen, Sehnen Dehnen, Ausschnaufen, Kopf und Blase Leeren, Abkotzen, alle Organe von sich Strecken, warten, bis der Arzt kommt, Nacken Massieren, Tapen, Posten etc.
Schlafen kannst Du danach, wenn du eh tot bist!

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Burgenland Extrem

Der Burgenland-Extrem-Lauf ist ein Ultramarathon und führt in 120 km einmal um den Neusiedler See im Burgenland, Österreich. Er findet traditionell im Januar statt. Die Teilnehmer können selbst wählen, ob sie die Strecke gehend oder laufend (= joggend) absolvieren. Es gibt keinen klassischen Wettkampfcharakter – wer ins Ziel kommt, ist Sieger.
Mehr Informationen.

Piff Paff Puff (oder: Immer locker bleib’n!) Ob ihr’s glaubt oder nicht, hierbei handelt es sich um nichts mehr und nichts weniger als den offiziellen Slogan dieses Extrem-Abenteuers! Ein bisschen Fantasie ist also durchaus hilfreich, und vielleicht sollen diese Worte auch einfach nur zum Ausdruck bringen, dass man dem Ziel umso besser gelaunt näher kommt, je weniger verkopft man an die Sache herangeht. Und, dass jeder sich am besten ihre oder seine ganz persönlichen Sinnhaftigkeit für dieses waghalsige, ungesunde, mit keiner Ratio dieser Welt erklärbare, Unternehmen sucht.
Zugegeben: Wenn man um 4:30 an einem windigen, winterkalten Morgen in voller Montur inklusive Scheuklappen, nicht gerade ausgeschlafen, dafür undefiniert aufgeregt vor dem, was da kommen mag, in einer der letzten Startreihen steht, hört sich der Slogan nicht ganz so an, wie er auch auf der Website steht: Live. Love. Move.

Mit etwas örtlichem Abstand und unter den besonderen mentalen Gegebenheiten, in denen sich mein Freund Michi und seine Mitstreiter während des ersten Burgenland Extrem-Abenteuers befunden haben, war jedoch „Biff Baff Buff“ die einzig verständliche und für alle vollkommen logische Entsprechung dieses Slogans. Daher ist „Biff Baff Buff“ (wahlweise mit weichem oder “hartem B” ausgesprochen und geschrieben) seither unser interner „Arbeitstitel“.


Die Landschaft. Welche Landschaft jetzt genau?

Sie ist da, in Form von unspektakulärer, teils öder, extra lang gestreckter Weite. Dreisterweise hat sie sich für 2020 auch noch in ein neblig-trübes Gewand gehüllt. Passend zur öden Landschaft das Wetter: mild, kaum Wind, kein Regen…
Da ist weit und breit kein Berg, der ruft. Und das, obwohl wir hier in Österreich sind! Die gefühlten 3 Erhebungen von jeweils 10-20 Metern auf dieser Strecke haben meine sämtlichen Waden, Gelenke und mein Geist gefeiert wie ein gläubiger Christ den Ostertag nach der unendlich lang erscheinenden Fastenzeit.

Als hätten wir nach dem aufregenden letzten Jahr, in dem ich meine ganze Kraft dazu verwenden musste, meinen knapp 50 kg nicht ständig die Bodenhaftung zu entziehen und in dem jedes noch so Hauch-von-nichts-Unterhöschen zur Windhose wurde, nach so etwas verlangt. Kein Mensch weiß, ob wir während der 120 km 3-4 mal einen Kreis zurücklegen, ein paar Schleifen drehen oder gar mehrmals durch denselben Ort gehen, das muss man einfach glauben bzw. da sollte sich einfach jeder seinen Reim drauf machen (*Scherz* – Natürlich kann die Strecke mit einer hundsnormalen Sport-Uhr getrackt werden, wo man sehr wohl sieht, auf welcher Seite des Neusiedler Sees man sich gerade bewegt.) Tatsache ist, dass bei dem sogenannten Wetter, das uns 2020 begleitet hat, die Landschaft nicht maßgeblich zur Erhellung oder auch nur Veränderung der Stimmung beigetragen hat. Moooment, vielleicht mit Ausnahme des durchaus erwähnenswerten Waldstücks nach Hegykö! Was für eine Oase und welch herzerquickender Seelengenuss das war, für kurze Zeit umgeben von Birken und zahlreichen anderen Bäumen zu sein.

Alles kam mir aber dieses Mal länger vor (die ersten 27 km bis zur ersten „Labe“ nach Balf, überhaupt die ganze Strecke, die durch Ungarn verläuft, die Hölle Podersdorf (ich bin überzeugt davon, dass sie diesen Ort von Jahr zu Jahr verlängern!!), und von der anschließenden Entfernung nach Neusiedel fangen wir gar nicht erst an….

Durch kleine Jogging-Etappen (aus der Notwendigkeit heraus entstanden, nach einem für eine Frau wirklich „kurzen“ Toiletten-Aufenthalt in der nächstmöglichen Waldwildnis, wieder zur – natürlich weitergezogenen – Gruppe, bestehend aus vorwiegend Männern mit einer Schrittlänge, die doppelt so groß wie meine war, aufzuschließen) und die allgemein höhere Durchschnittsgeschwindigkeit (25,5h Gesamtzeit, davon ca. 5h Pause, d.h. 5,85 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit!!) kam mir die Tour dieses Jahr ziemlich effizient vor. Na gut, was im Gegensatz zu letztem Jahr vielleicht auch noch eine kleine Rolle gespielt hat, war die Tatsache, dass die Kamera meines Smartphones heuer ausschließlich im Selfie-Modus agieren wollte und ich daher partout keine Bilder von der Umgebung machen konnte. Glücklicherweise konnte das Wetter 2020 kein bisschen mit dem von 2019 mithalten: letztes Jahr Sonne und Foto-Safari satt zum Leidwesen von Michi vs. dieses Jahr bedeckter Himmel.


Zufälle… oder doch Schicksal?

Hegykö: wir waren 7.000 Verrückte, die für unterschiedliche Distanzen (35, 60, 80 und 120 km) zu etwas unterschiedlichen Zeiten in Neusiedel/Apetlon/Hegykö/Oggau gestartet sind. Immerhin rund 2.000 davon sind am Samstag in aller Herrgottsfrüh um 04:30 gleichzeitig mit uns zusammen in Oggau losgegangen.

Zufall Nr. 1: Hegykö

Als wir nach 40 km mittags zu einer guten Zeit in Hegykö an der 2. Labe ankamen, trennten sich die Wege unserer Gruppe für kurze Zeit: während Balázs ankündigte, dass er sich eine warme Suppe einverleiben wolle, haben die 2 anderen Jungs und ich uns für den leckersten aller Labe-Tees (weil rot und mit besonders viel Zucker versehen?) angestellt, um danach gleich noch (ich) meinen Platz in der Kaffee-Vollautomaten-Schlange einzunehmen. Die nächste Schlange, welche uns dann magisch anzog, war die Klo-Schlange. Leider hab ich die Jungs daraufhin plötzlich verloren und erst wieder in Sarród angetroffen, um dann das hier zu erfahren: Balázs hatte in Hegykö völlig überraschend Besuch von seinen Eltern erhalten. Die waren einfach mal – supercoolerweise – von zuhause (irgendwo in Ungarn) gen Hegykö aufgebrochen und wollten mal sehen, wie so eine verrückte Tour abläuft und wer sich da so tummelt etc.. Damit, ihren Sohn dort leibhaftig anzutreffen, hatten sie nun wirklich nicht gerechnet. Aber es kam anders…

Zufall Nr. 2: Die Hölle von Podersdorf

Wir waren schon eine ganze (und gute) Weile in unserer Winner-Konstellation Dani-Tobi-Berna unterwegs. Und bereits eine ganze (und lange) Weile davon im vielleicht auf den ersten Touri-Blick, aber für keinen Burgenland-Extrem-Wanderer (!) mehr unscheinbaren Podersdorf. Für mich inzwischen der Inbegriff von: Aufgeben, Gruppen-Tiefpunkt in puncto Motivation, Schmerzen (mentaler und physischer Natur). Neuerdings kommt hinzu: schwierig zu findenden Labe-Stationen, an denen man dann auch mal ungewollt mal vorbeilaufen kann. Es sei denn, da kommt von irgendwoher ein Engel-Mobil gefahren, aus welchem mal eben 2 liebgewonnene Freunde und Versorger (Michi und Rita) aussteigen. Wie es sich für echte Engel gehört, bringen sie uns wieder auf den richtigen Pfad zurück und trinken danach in der (ausschließlich auf legalem Weg erreichten, und wir haben dennoch eher einen Umweg gemacht als uns Schritte gespart) endlich erreichten Labe ein Bier mit uns. 2 dei ex machina, wie sie im Buche stehen! (Frage an die Labe Podersdorf: Warum um alles in der Welt habt ihr kein alkoholfreies, isotonisches Bier da? Soll das etwa den extremen Aspekt der Tour noch verstärken?)

Die große Frage, die Euch (und ab und zu – ja – auch uns) umtreibt:

Warum macht ein Mensch sowas?

Was motiviert einen? Welche mentale Erkrankung ist unabdingbar oder gar typisch mit einer solchen Symptomatik verbunden? Gibt es auch mental gesunde Menschen, die da mitlaufen? Wenn ja, handelt es sich dabei ausschließlich um Psychologen oder auch um andere Berufsgruppen? Nicht so leicht zu beantworten…nun ja…für mich gesprochen: mein Freund Michi hat mich “infiziert”. Zunächst mal habe ich dieses Abenteuer vor allem als ein Zeitgeschenk empfunden: Wann im Leben wird einem mal so viel Zeit am Stück geschenkt, in der man sich mit einem guten Freund unterhalten kann? Ist doch cool. Man ist raus aus dem Alltag, man läuft und tut (zumindest, bis es anfängt weh zu tun) etwas für die Gesundheit, besäuft sich nicht hemmungslos (von anderen Drogen sprechen wir an dieser Stelle mal nicht) und verbringt Zeit an der frischen Luft. Und man muss sich schon eine gewisse Blöße geben, wenn man der Konstellation oder unangenehmen Themen entfliehen möchte. So à la: “Ich glaub, ich such mir mal ein stilles Örtchen; lauf du aber ruhig schon mal weiter.” Oder: “Shit, mein Meniskus meldet sich! Das war’s dann wohl. Aber meine Hoffnung ruht jetzt ganz auf dir!”

Es tut einfach gut zu wissen, dass du gerade jemanden getroffen hast, der sympathisch ist und mit dem du gemeinsame Gesprächsthemen hast, dessen Humor du auch noch teilst, der ein sehr ähnliches Gehtempo an den Tag legt, genauso motiviert ist wie du und die 120 km schaffen will, komme was wolle.

Bernadette, weltweit-draussen.de

Ich könnte es ja einfach saucool mit einigen sich im Umlauf befindlichen Anti-E-Bike-T- Shirts halten und sagen: Weil ich’s kann! (Das gilt aber auch nur, weil mich vor dieser verrückten Aktion durchaus die Frage umgetrieben hat, OB ich’s kann.) Horche ich ein bisschen tiefer in mich hinein, treffe ich auf die Hoffnung, dass der Wille, der mich zum Bewältigen dieser Strecke antreibt, auch in andere Bereiche meines Lebens überschwappt. Weitere Gründe im Angebot: Kompensation von etwas, das man nicht hat oder das im eigenen Leben vielleicht fehlt (Kinder, Partner, Anerkennung, Job, Aufregung, Krankheit, richtig Stress, prekäre Situationen etc.)


Meine Tipps für einen 24-Stunden-Lauf

1. In Etappen denken

Nicht von 0 auf 120 sofort, sondern in kleineren und „vorstellbaren“ Einheiten. Bei mir war mit Abstand die Etappe mit dem größten Impact auf mein Selbstbewusstsein die von 42 (bis dato meine längste bewusste Wander-Etappe) auf 80 (2017). Alles, was danach kam, war weniger bahnbrechend: weder die 100 km beim Megamarsch in Stuttgart (10/19), noch die 120 km jetzt (01/20).
Wenn du bisher noch keine Erfahrung mit Ultra-Distanzen hast, hast du vermutlich aber eine ungefähre Vorstellung davon, wie lang die längste Etappe in km ist, die du bisher zu Fuß am Stück zurückgelegt hast; sei es freiwillig in Form einer selbst bestimmten Wanderung oder zumindest teilweise unfreiwillig beim Wehrdienst o.ä.

Diese Etappe kannst du im Kopf als imaginären “Startpunkt” definieren.
Bei vielen Burgenland-Extrem-Anfängern liegt dieser Startpunkt zwischen 25 und 40 km.
Diese Schwelle solltest du möglichst unbeschadet überstehen; alles, was danach kommt, ist ein “i-Tüpfelchen”, worauf du stolz wie Oskar sein kannst. Genau so logisch wie der Gedanke, dass du am 1. Januar noch nicht das gesamte Jahr komplett durchplanst, ist auch die Empfehlung, dass du die weitere Tour in für dich realistischen Etappen planst, d.h. dass du bei km 40 lieber zunächst nur bis zur nächsten Labestation in 10-15 km denkst (und dich danach häppchenweise vorarbeitest) als dir ständig die noch verbleibenden km bis ins Ziel vor Augen hältst.

2. Der Wille muss eisern im Kopf verankert sein

Ohne Wenn und Aber. Der Wille muss so stark sein, dass er (möglichst OHNE Medikamente) sich nicht vom „erwartbaren“ und „normalen“ körperlichen Schmerz (Müdigkeit, muskuläre Schmerzen, Verhärtungen, evtl. Blasen etc.) so sehr beeindrucken lässt, dass man aus diesen Gründen aufgibt. Gleichzeitig geht hiermit einher, dass du deinen Körper gut genug kennen solltest, um zu wissen, wann ein Schmerz eher von einem Gelenk ausgeht und möglicherweise zu langwierigeren oder gar irreparablen Schäden führt. In letzterem Fall mag es klüger sein, eine Weile zu pausieren oder sogar abzubrechen, um vielleicht im folgenden Jahr erneut anzutreten.
Was du unabhängig von deinem Körper möglichst im Voraus schon klären solltest, ist die sogenannte “Sinnfrage”. Wenn du dir die Frage nach dem Sinn dieser strapaziösen, zeit-, energie- und sogar geldraubenden Exkursion ernsthaft noch während der Tour stellst, solltest du dir überlegen, ob du wirklich der Typ für so ein extremes Abenteuer bist.
Dann hat es dein Wille aller Voraussicht nach umso schwerer.

3. Spaß haben

Locker bleiben. Nicht zu verkopft sein!
Denn immerhin geht es hier um eine Freizeitbeschäftigung, es handelt sich nicht um den “Todesmarsch” der gleichnamigen Dystopie von Richard Bachmann, bei dem von 100 Teilnehmern am Ende nur einer überlebt und jeder, der im Laufe der fatalen Veranstaltung insgesamt vier mal die Schrittgeschwindigkeit von vier Meilen (ca. 6,4 km) unterschreitet, von einem der Mitglieder des Orga-Teams kaltblütig abgeknallt wird.
Dass du Freude an der Sache hast, macht zumindest alles sehr viel einfacher. Vor allem insofern, als bei jedem Teilnehmer irgendwann der Zeitpunkt beginnt, wo nicht mehr (nur) die Füße, sondern maßgeblich der Kopf Dich vorwärts treibt.

4. Es als Chance sehen…

… den Körper kennenzulernen. All diejenigen, für die der Burgenland-Extrem-Lauf das erste Abenteuer dieser Kategorie ist, können ihn als Gelegenheit betrachten, Muskeln und Gelenke, von denen sie bis dato gar nicht wussten, dass sie existieren, zum ersten Mal so richtig spüren zu können. Das mag sich anhören wie eine ironische Aussage, ist es aber nur teilweise. Ich würde von mir behaupten, dass ich mich nach ein paar längeren Wander-Abenteuer nun viel mehr mit meinem Körper verbunden fühle als früher. Auch die Einschätzung, ob ein Schmerz eher “gefährlich” (d.h. gelenkbasiert und daher evtl. langwierig) oder harmlos (muskulär bzw. eher vergänglich) ist, fällt mir seitdem leichter.

5. Nicht zu viele und keine zu lange Pausen

Geschwindigkeit gibt Sicherheit! Das gilt vor allem für die ersten (vielen) Kilometer und sicher für alle km, die bei Tageslicht zurückgelegt werden. Nichts ist bei einem Extremlauf so sicher wie die Tatsache, dass es irgendwann zäh wird, und zwar von ganz allein, ganz egal, wie langsam oder schnell Du davor unterwegs warst. Wenn Du Dich aber mitten in dieser schwierigen Periode befindest, die sich wie Kaugummi ziehen kann, macht es sich bezahlbar, wenn Du am Anfang schon gut vorgelegt und nicht zu viel Zeit bei – zugegeben – betörenden, verführerischen Labe-Stationen “vergeudet” hast.

6. Gute (ggf. unterschiedliche) Lauf-GenossInnen.

…und Mut zum Kennenlernen neuer Menschen. Weder die Arbeit noch die unaufgeräumte Garage oder das sich stapelnde schmutzige Geschirr, ja, nicht einmal die Kinder, die darauf brennen, mit Dir Verstecken zu spielen, dienen jetzt als Ausrede. Warum nicht so eine Tour als einzigartige nicht-virtuelle Kennenlern-Plattform sehen, die immerhin die Vorteile mit sich bringt, dass dafür kein monatlicher Beitrag erhoben wird, Euch ein gemeinsames Hobby sicher ist und Du innerhalb von 24h auf relativ unkomplizierte Art und Weise Speed-Datings mit mehreren Menschen haben kannst. Möglicherweise war sogar der Begriff “Speed-Dating” nie passender 🙂
Ist Sympathie Fehlanzeige oder sogar an mehr gar nicht zu denken, hat es Dein(e) Gesprächspartner(in) etwas schwerer als einfach deinen Nickname wegzuwipen. Das nicht-virtuelle Leben ruft! Ganz recht so!

7. Mut zum Stellen couragierter, ggf. kontroverser Fragen.

Beim Diskutieren und und sich Unterhalten vergeht die Zeit nämlich – ja, auch bei so einer Distanz – (fast) wie im Flug.
Jetzt ist die Zeit, jemanden anzusprechen und ggf. auch mal seltsame Fragen zu stellen, die Dir auf der Seele brennen. Schnell wirst Du merken, ob Dein Gegenüber oder vielmehr Dein Daneben den Fragen gewachsen ist oder nicht. Sei mutig, denn Du hast nichts zu verlieren. Im Zweifel kannst Du Dich immer noch auf Dein momentanes (aller Wahrscheinlichkeit vollvermummtes) Outfit berufen, das Du im “anderen Leben” (d.h. bei sämtlichen Aktivitäten außerhalb des Burgenland-Extrem-Laufs) nämlich niemals tragen wirst und weshalb Du von der entsprechenden Person auch nicht mehr erkannt werden wirst.

8. Eventuell gute Musik

Dieses Thema ist natürlich höchst individuell. Ich habe Musik eigentlich nicht gebraucht. Moment, doch! Recht am Ende der Tour, als ich bereits länger mit Dani allein an meiner Seite, oder vielmehr, als sie mit mir im Schlepptau unterwegs war, hab ich mich einmal für ca. 1 Stunde tatsächlich auf meinen Rettungsanker, den mp3-Player, verlassen. Parallel haben Dani (die gerade sicherlich absolut berechtigt von mir genervt war, da ich u.a. einfach langsamer und lange nicht so konstant wie sie lief) und ich Gebrauch von unseren jeweiligen auditiven Ressourcen gemacht.

9. Nicht zu viel Gepäck

Ich sollte das Loslassen eindeutig üben. Sollte ich jemals doch noch einmal bei einer solchen – O-Ton meine ungarische Kollegin – “wahnsinnigen Extremwanderung” mitmachen, dann nur mit einem Mini-Trailrunning-Stöffchen auf dem Rücken, für das manche Menschen extra viel Geld bezahlen, damit man extra wenig unterbringen kann. Hoffen wir aber zunächst mal, dass der Burgenland-Extremlauf 2021 auch wirklich wie geplant im März stattfinden kann und die – hier wieder Ungarn – “Veranschtaltung nicht wieder gelöscht” wird.

10. Nicht zu viel übers Essen und Trinken grübeln

Weil: Auf der Strecke kommt sowieso fast niemand zum Trinken oder gar essen. Da hätte ich mir das x-kg-Bergkäse-Stück und die Packung Landjäger (vom ernährungs-technischen Sinn dahinter mal ganz zu schweigen) direkt sparen können. Das einzig Wahre war meine selbst zusammengestellte bunte Süß-Herzhaft-Power-Mischtüte aus dunkler Schoki, deliziösen Schweizer Haselnussstängelis, leckersten getrockneten tadschikischen Aprikosen, getrockneten Datteln, schön fettigen Kokosflocken, knackigen Salzbrezeln, würzigen Pistazien, nahrhaften Macadamia-Nüssen, getrockneten Feigen und Cranberries sowie dem ein oder anderen Weihnachtsüberrest wie z. B. Spekulatius.


Phänomene & Kurioses

1. Gedächtnislücken durch Schlafmangel

Ich staunte nicht schlecht, als mich meine Begleiterin Dani wenige Tage nach dem für uns beide erfolgreich verlaufenen Extremlauf fragte, ob denn unser Treffen am Donnerstag noch stehe? Ein Treffen? Donnerstag? Was um alles in der Welt hatten wir da vereinbart? Irgendwann warf mein Unterbewusstsein dann doch noch einen Brocken aus, der zu diesem vom Tageslicht und mir komplett ausgeblendeten Kommunikationsfetzen passen wollte. Der Brocken murmelte irgendwas von Triathlon. Mir schwante Schlimmes: Hatte ich in meiner mental-körperlich vollständigen Umnachtung ernsthaft Dani (und damit auch mich selbst) dazu inspiriert, mit mir zusammen auf einen Triathlon zu trainieren und bereits wenige Tage nach überstandenem Extremlauf damit anzufangen? Die Angst vor weiteren Erinnerungsfetzen, die sich womöglich nach und nach aus meiner mentalen Büchse der Pandora ihren Weg nach draußen bahnen wollten, wuchs zusehends in mir. Hätte ich zu viel Alkohol getrunken, wüsste ich dafür den Fachbegriff: Black Out.
Offenbar konnte Schlafmangel dasselbe Phänomen herbeiführen.

2. Schmerzen, die sich verlagern und die wieder vergehen (…um später wieder aufzuflammen…)

Schmerzen, die zu dir sprechen wie ein anderer Mensch es tut. Schmerzen, mit denen auch du irgendwann anfängst zu sprechen. Aber auch: Schmerzen, die genau dadurch, dass sie greifbar werden und dich wie eine Hintergrundmusik mal lauter, mal leiser, ab einem gewissen Moment dauerhaft begleiten, irgendwann nicht mehr als so schlimm empfunden werden wie am Anfang. Die so unverhofft, wie sie gekommen sind, auch wieder vergehen können und – auch das ist sicher wie das “Amen” in der Kirche – sich früher oder später ein anderes Gelenk, Muskel oder Körperteil suchen, in dem sie sich ausleben und ihr Unwesen treiben können und gleich einem mutierten Virus sich, in mitunter leicht veränderter Form, ihren Weg nach außen bahnen.

3. Mangalitza-Schweine

Was ich einmal für Maulwürfe gehalten hatte, entpuppte sich plötzlich als ein Haufen Graugänse. Evtl. hat auch hier der Schlafmangel mir ein Schnippchen geschlagen?
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aber habe ich diese Genossen hier erblickt:

Mangalitza-Schweine

Photo credit by wikipedia I Joachim Kohler.

Die ungarische Rasse zeichnet sich durch eine besonders dicke Speckschicht aus.
Sie und das wollig-borstige Haarkleid schützen die robusten Schweine vor extremer Witterung. Sie können daher ganzjährig im Freien leben, wenn ihnen ein Unterstand und eine Schlammsuhle zur Verfügung stehen. Der Charakter des Wollschweines ist sehr gutmütig. Bei guter Behandlung sind sie sehr zutraulich und lassen sich auch gerne anfassen



Fazit

Wer’s braucht, wird selig. Wie ich. Wer’s nicht braucht, spart sich: Zeit, Energie, Geld, viel Schlaf, Schmerzen sowie einen unversehrten Körper, evtl. Tränen und möglicherweise unendlich viel Spaß und Inspiration zu Beginn eines unvergesslichen neuen Jahres.


Weiterführende Informationen

Die 24 Stunden Burgenland Extrem Tour findet jährlich -eigentlich- im Januar statt. Aufgrund von Corona wurde der Termin 2021 auf den 12. März 2021 verschoben.
Updates, Tipps zur Anreise und Hilfe bei der Unterkunftssuche gibt es auf der sehr informativen Website von 24h Burgenland Extrem.

Bei Fragen dürft ihr uns auch gerne kontaktieren.

1: Labestation: Dieser liebevolle Begriff aus dem österreichischen Idiom, kurz “Labe”, hat eher wenig mit dem hierzulande geläufigen Dialektverb “labern” zu tun, sondern kommt von “sich an etwas laben” (Essen, Trinken, Ausruhgelegenheit) und steht für “Verpflegungsstation”. Dreht man einen Buchstaben kaum spürbar, wird daraus auch ganz fix eine “Ladestation” für Körper und Geist.
2: Striezel: auch dieser leckere Begriff hat seinen Ursprung im süddeutschen bzw. österreichischen Raum; es handelt sich um ein Gebäck aus Hefeteig (“Germteig”) und wird je nach Gegend als Synonym für Stollen (ost- bzw. mitteldeutscher Raum) bzw. Hefezopf (süddt., österr.) verstanden.

2 Antworten auf “Piff, Paff, Puff: 24h-Lauf Burgenland Extrem”

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